Das Rätsel von Eilean Mòr – Drei Leuchtturmwärter verschwinden spurlos im Nordatlantik
Im Winter des Jahres 1900 verschwindet auf den schroffen Flannan Isles, weit vor der schottischen Westküste, eine dreiköpfige Besatzung eines neu errichteten Leuchtturms. Was sich damals auf der größten Insel Eilean Mòr ereignete, gehört bis heute zu den größten ungelösten Rätseln der Seefahrt – voller Widersprüche und unheimlicher Details.
Letzter Einsatz auf der einsamen Insel
Am 7. Dezember 1900 treten James Ducat, Thomas Marshall und Donald MacArthur ihren zweiwöchigen Dienst an. Ihr Vorgesetzter Robert Muirhead überprüft ein letztes Mal die Technik des erst ein Jahr zuvor gebauten Leuchtturms. Alles scheint in Ordnung, das Wetter ist ruhig. Nach der Verabschiedung verschwinden die Männer mit ihrem Alltag in die Abgeschiedenheit – niemand weiß, dass dies ihre letzte Schicht sein wird.
Schiffe, die den Atlantik durchqueren, melden den Leuchtturm zunächst planmäßig – bis zum 15. Dezember, als plötzlich kein Lichtsignal mehr zu sehen ist. Dichter Nebel umhüllt die Insel. Stürmisches Wetter verzögert die Anreise des Versorgungsschiffs, das den Wachwechsel bringen soll. Erst am 26. Dezember kann die Mannschaft der „Hesperus“ anlegen.
Doch nichts ist normal: keine Begrüßungsflagge, keine Antwort auf das Horn, keine vorbereiteten Leinen am Steg. Joseph Moore, der diensthabende Wärter von Landseite, wird an Land geschickt.
Gespenstische Stille im Turm
Moore beschreibt später ein Gefühl von „unerklärlicher Beklemmung“, als er den steilen Felsweg hinaufsteigt.
Die massive Tür des Turms ist von innen verschlossen.
In der Küche steht ein halb verzehrtes Mahl, ein Stuhl liegt umgestürzt auf dem Boden.
Der Kamin ist kalt, die Betten unbenutzt, eine Uhr steht still.
Mehrere wetterfeste Mäntel hängen unberührt an den Haken – trotz der eisigen Winde des Nordatlantiks.
Von den drei Männern fehlt jede Spur. Kein Geräusch, keine Kampfspuren, kein Hinweis auf eine geordnete Abreise.
Spuren der Naturgewalt – und rätselhafte Widersprüche
Bei einer Inspektion der Insel entdecken die Suchenden an der Westseite gewaltige Schäden:
verbogene Eisenstangen, herausgerissene Betonblöcke, sogar tonnenschwere Felsen, die von ihrer Stelle verschoben wurden. Alles deutet auf eine gigantische Welle oder einen plötzlich aufziehenden Orkan hin.
Doch die offiziellen Wetteraufzeichnungen verzeichnen keinen Sturm an den entscheidenden Tagen. Der letzte Eintrag im Dienstbuch, datiert auf den 15. Dezember, lautet lediglich:
„Sturm vorüber, Meer ruhig. Gott wacht über uns.“
Zuvor hatte Thomas Marshall am 12. Dezember notiert:
„Stärkste Winde seit 20 Jahren. James still. Donald weint.“
Ein Satz, der viele Fragen aufwirft – Donald MacArthur galt als erfahrener Seemann, den gewöhnliche Stürme kaum erschüttern konnten.
Theorien und Spekulationen
Die offizielle Erklärung besagt, dass die Männer bei Reparaturarbeiten am Landesteg von einer unberechenbaren Monsterwelle überrascht und ins Meer gerissen wurden. Vielleicht rutschte einer ab, die anderen eilten zur Hilfe und teilten sein Schicksal.
Doch wie erklären sich dann:
die von innen verschlossene Tür,
die zurückgelassenen Mäntel,
und die Wetterberichte ohne Sturm?
Bis heute bleiben diese Punkte ungelöst.
Ein Mythos, der weiterlebt
Das Rätsel zog schnell Spekulationen nach sich – von geheimen militärischen Aktionen bis zu unheimlichen Naturphänomenen. Manche sprachen gar von fremden Mächten oder Ereignissen, die sich menschlicher Logik entziehen.
Keiner der drei Leuchtturmwärter wurde je gefunden. Keine Spur, kein Wrack, kein Beweis. Über 120 Jahre später steht der Turm von Eilean Mòr noch immer einsam im Wind, sein Licht weist den Schiffen den Weg – und sein Schweigen bewahrt das Geheimnis jener Nacht, in der drei Männer spurlos im Nordatlantik verschwanden.