Ein heißer Sommertag im August 1892. In der Industriestadt Fall River, Massachusetts, herrscht drückende Hitze. Hinter den schweren Vorhängen des Hauses der Familie Borden scheint alles ruhig – bis ein Schrei die Stille zerreißt.
Das Dienstmädchen Bridget Sullivan stürzt die Treppe hinunter. Im Wohnzimmer entdeckt sie ein Bild des Grauens: Hausherr Andrew Borden liegt auf dem Sofa, erschlagen, elf tiefe Wunden im Gesicht. Wenige Minuten später macht man eine zweite, noch grausamere Entdeckung: Im Gästezimmer im oberen Stockwerk liegt die Stiefmutter Abby – auch sie brutal niedergeschlagen, der Schädel von zahlreichen Axthieben zerschmettert.
Wer konnte diese Morde verüben? Es gibt keine Einbruchsspuren, kein Fenster wurde aufgebrochen, keine Tür beschädigt. Zur Tatzeit befanden sich im Haus nur drei Personen: das Dienstmädchen – und die Tochter Lizzie.
Von Beginn an wirkt die junge Frau merkwürdig gefasst. Ihre Aussagen widersprechen sich. Mal erzählt sie, die Stiefmutter habe einen Zettel bekommen und sei ausgegangen, mal will sie nicht wissen, wo Abby war. Und nur wenige Tage nach der Tat verbrennt sie ein Kleid im Ofen – angeblich, weil es voller Farbe war. Doch mehrere Zeugen schwören, dass Lizzie genau dieses Kleid am Morgen des Mordes getragen hatte.
Ein Prozess voller Zweifel
Im Juni 1893 beginnt der Prozess. Ganz Amerika verfolgt gespannt die Verhandlungen. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Nur Lizzie konnte die Morde begangen haben. Doch ihre Verteidiger stellen entscheidende Fragen:
Wie konnte eine Frau in so kurzer Zeit zwei Menschen mit solcher Gewalt töten, sich säubern, die Waffe verschwinden lassen – und dennoch völlig unbefleckt wirken, als Nachbarn eintrafen?
Zeugen sprechen von einem unbekannten Mann, der am Abend zuvor in der Nähe gesehen wurde. Ein Arzt erklärt, Lizzie habe Beruhigungsmittel genommen, was ihre widersprüchlichen Aussagen erklären könnte. Andere beteuern, sie hätten keine Blutspuren an ihrer Kleidung gesehen.
Nach zwei Wochen Verhandlung folgt das überraschende Urteil: Freispruch. Lizzie Borden verlässt das Gericht als freie Frau.
Lizzie erbt das Familienvermögen, zieht mit ihrer Schwester in eine Villa und lebt bis zu ihrem Tod im Jahr 1927 in Wohlstand. Doch der Schatten bleibt. Bis heute gilt sie als die Frau, die „mit der Axt“ mordete – und gleichzeitig als diejenige, die von der Justiz freigesprochen wurde.
Wer also tötete Andrew und Abby Borden?
War es tatsächlich die Tochter, die sich alles so zurechtlegte, dass man ihr nichts nachweisen konnte? Oder gab es doch einen unbekannten Dritten, der unbemerkt ins Haus kam – und ebenso spurlos verschwand?
Ein Verbrechen ohne eindeutige Antwort. Ein Rätsel, das die Welt bis heute beschäftigt.