Das unheimliche Grauen von Novokuznetsk – Die rätselhaften Taten des Alexander Spesivtsev
Novokuznetsk, eine Bergbaustadt in Sibirien. Hinter den unscheinbaren Fassaden der Wohnblocks an der Pionerskiy-Allee verbirgt sich Anfang der 1990er-Jahre ein düsteres Geheimnis. Kinder verschwinden spurlos, an den Ufern des Flusses Aba treiben rätselhafte Körperteile, doch monatelang fehlt jede heiße Spur. Erst ein zufälliger Einsatz führt zu einer Entdeckung, die selbst hartgesottene Ermittler erschüttert.
Eine Kindheit voller Schatten
Alexander Spesivtsev wird 1970 geboren – kränklich, zurückgezogen und früh geprägt von einer ungewöhnlich engen Bindung an seine Mutter Lyudmila. Der Vater verlässt die Familie, Gewalt und Kälte prägen das Zuhause. Schon als Schüler meidet er Gleichaltrige, wird verspottet und entwickelt seltsame Neigungen. Seine Mutter, die in einer Schule und zeitweise bei der Staatsanwaltschaft arbeitet, zeigt ihm Kriminalfotos und makabre Geschichten, als seien es Gute-Nacht-Märchen.
Mit 18 eskaliert die Lage. Nach einer gescheiterten Beziehung sperrt Alexander seine Freundin in der elterlichen Wohnung ein. Einen Monat lang hört niemand ihre Hilferufe – bis sie an einer schweren Infektion stirbt. Gutachter bescheinigen ihm damals fehlende Schuldfähigkeit. Nach drei Jahren in einer geschlossenen Klinik gilt er als behandelt und wird entlassen.
Spurloses Verschwinden in Serie
Die Stadt leidet Anfang der 1990er unter Armut und sozialem Zerfall. Immer mehr Kinder streifen unbeaufsichtigt durch Baustellen und leerstehende Gebäude. Genau diese jungen Menschen geraten in den Fokus des inzwischen erwachsenen Alexander, der gemeinsam mit seiner Mutter eine unheimliche Routine entwickelt: Fremde ansprechen, Vertrauen gewinnen, in die Wohnung locken – und dort verschwinden die Spuren.
Anfangs vermutet die Polizei rivalisierende Banden oder gar Organhandel. Mehrfach werden Einsatzkräfte auf Flughäfen und in Zügen stationiert, doch die mysteriösen Vermisstenfälle reißen nicht ab. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel.
Erst im Oktober 1996 kommt Bewegung in den Fall. Handwerker wollen wegen eines Heizungsproblems in die Wohnung der Familie Spesivtsev, doch niemand öffnet. Als die Polizei schließlich die Tür aufbricht, bietet sich ein Bild des Entsetzens: In der Badewanne liegt ein zerstückelter Körper, daneben eine schwer verletzte 14-Jährige, die kurz darauf im Krankenhaus stirbt. Ihre letzten Worte enthüllen Schreckliches – und führen die Ermittler auf die Spur einer monatelangen Mordserie.
Die schockierende Wahrheit
Alexander wird verhaftet, seine Mutter ebenfalls. Bei Vernehmungen gesteht er zunächst zahlreiche Taten, zieht Geständnisse später zurück. Dennoch finden Ermittler Überreste vieler weiterer Opfer, die teils nie identifiziert werden können. Offiziell kann ihm nur eine geringe Zahl an Morden nachgewiesen werden, doch Hinweise deuten auf Dutzende, vielleicht über achtzig verschwundene Menschen hin.
Lyudmila gesteht Beihilfe und wird zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Alexander selbst wird dauerhaft in eine forensische Spezialklinik eingewiesen – ohne Aussicht auf Entlassung.
Bis heute gibt es mehr Fragen als Antworten: Wie konnte über Jahre eine solche Spur des Verschwindens unentdeckt bleiben? Wie viele Opfer es tatsächlich gab, wird wohl niemand je genau wissen.
Der Fall Spesivtsev steht wie kaum ein anderer für das unheimliche Potenzial des Bösen hinter gewöhnlichen Türen. Ein Kapitel sibirischer Kriminalgeschichte, das noch immer Forscher, Ermittler und die Öffentlichkeit beschäftigt – und die erschreckende Frage offenlässt, wie viele seiner Taten für immer im Dunkel bleiben.