Jeder hat diese unangenehme Situation schon einmal erlebt: Nach einer Flugreise bekommt man an der Ausgabe sein Gepäck zurück und bemerkt, dass unterwegs etwas daran kaputtgegangen ist. Manchmal sind es nur Kratzer und Dellen, wenn der Koffer achtlos in den Frachtraum geworfen wurde, aber manchmal ist das Gepäck auch ernsthaft beschädigt worden.
Wenn man sich einmal vorstellt, dieses Gepäckstück wäre nicht einfach ein Koffer, ein Rucksack oder eine Tasche, sondern etwas Unverzichtbares, das man unbedingt braucht, um sich fortbewegen zu können? Ein purer Alptraum.
Diese Erfahrung musste Gabrielle deFiebre aus New York City in den USA leider machen, als sie mit ihren Freundinnen eine Reise unternahm. Eine Flugreise ist für die 32-Jährige ein kompliziertes und auch recht beängstigendes Unternehmen, denn Gabrielle sitzt im Rollstuhl. Sie hat transverse Myelitis, eine neuroimmunologische Erkrankung, die vor allem das Rückenmark angreift. Die Auswirkungen sind unter anderem Störungen der Motorik sowie eine starke Schwäche der Muskeln und unkontrollierbare Zitterkrämpfe. Die Krankheit kann zur Lähmung führen und schränkt auch bei milderen Verläufen die körperliche Beweglichkeit sehr ein.
Um im Alltag zurechtzukommen, hat Gabrielle daher einen speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen elektrischen Rollstuhl. Das Gerät ist nach ihren Maßen angefertigt, die Räder sind besonders leistungsstark. Da sie nur eine ihrer Hände bewegen kann, hat der Rollstuhl alle nötigen Knöpfe und Hebel in Reichweite ihrer funktionstüchtigen Hand. Ein Rollstuhl dieser Art ist extrem teuer, ohne ihn ist Gabrielle völlig hilflos und im Grunde bewegungsunfähig.
Wenn man mit einem Rollstuhl ins Flugzeug will, dann wird dieser im Gepäckraum verstaut, während dem Besitzer in einen der Passagiersitze geholfen wird. Gabrielle deFiebre war bereits etwas besorgt, da sie von Bekannten schon öfter gehört hatte, dass deren Rollstühle während eines Fluges Schaden genommen hatten. Aber sie hatte sich entschlossen, mit ihren Freundinnen nach Phoenix im US-Bundesstaat Arizona zu verreisen, und wollte sich von solchen Ängsten nicht abhalten lassen.
Doch nach der Landung sollten sich ihre Sorgen bewahrheiten – ein Rad ihres kostbaren Rollstuhls war durch achtloses Verstauen im Frachtraum so sehr beschädigt worden, dass es sich nicht mehr drehte.
Gabrielle verlor verständlicherweise die Fassung. Die Fluggesellschaft hatte ihr durch diese Nachlässigkeit ihre einzige Möglichkeit genommen, sich selbstständig zu bewegen. Nicht nur ihre Bewegungsfähigkeit wurde ihr genommen, sondern auch die Würde, nicht vollständig von der Hilfe anderer abhängig zu sein. Während die Flugbegleiter ratlos um sie herumstanden, versuchte Gabrielle ihnen vor Verzweiflung weinend zu erklären, dass sie den Rollstuhl buchstäblich brauchte, um ihr Leben leben zu können.
Bri, eine ihrer mitgereisten Freundinnen, fing an, die bedrückende Szene mit ihrem Handy zu filmen. Dies mag zunächst unangemessen und empathielos wirken, aber Bri erklärte auf der Plattform TikTok, warum sie dies tat. „Mein Herz brach, als ich meine beste Freundin schluchzen sah, nachdem die Airline ihren Rollstuhl kaputtgemacht hatte.“ Sie lud das Video mit Gabrielles Einverständnis hoch, damit möglichst viele Menschen sehen und begreifen können, was Leute, die einen Rollstuhl mit ins Flugzeug nehmen müssen, jedes Mal damit riskieren.
Das Video ist hier anzusehen (auf Englisch):
Die Veröffentlichung hatte Erfolg. Das Video wurde über 16 Millionen Mal angesehen. Die Zuschauer auf der ganzen Welt schrieben der Fluggesellschaft nicht nur wütende Nachfragen, wie so etwas habe passieren können, sie sprachen Gabrielle auch Mut zu. Und das Beste: Eine Person aus Phoenix konnte Gabrielle deFiebre für die Dauer ihres Aufenthalts einen Rollstuhl leihen, der dem ihrigen so ähnlich war, dass sie sich damit nicht nur fortbewegen, sondern tatsächlich auch ihren Trip mit der Freundinnen-Clique genießen konnte.
Bri bedankte sich in einem weiteren Video freudestrahlend für die Unterstützung und die lieben Worte all der Zuschauer. Die öffentlich zur Verantwortung gezogene Fluggesellschaft hat bereits zugesagt, die Kosten für die Reparatur zu übernehmen. Wer weiß, ob sie dies so bereitwillig getan hätte, wenn Bri mit dem Vorfall nicht an eine so breite Öffentlichkeit gegangen wäre.
Es bleibt zu hoffen, dass der Fluglinie diese schlechte Publicity so unangenehm ist, dass sie ihre Mitarbeiter in Zukunft im Umgang mit Rollstühlen besser schult und kontrolliert. Denn Desaster wie dieses passieren Menschen mit Behinderung leider immer wieder.